"Eigensinnig"

Argentinien-Legende stichelt gegen Neymar

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Fußball-WM: Katzenjammer statt Euphorie bei Südamerikas Favoriten.

Die 1:2-Auftaktniederlage gegen Japan kam über Kolumbien "wie ein Eimer mit eiskaltem Wasser", schrieb die Zeitung "El Espectador". Denn die Asiaten hatten die "Cafeteros" als vermeintlich leichtesten WM-Gruppengegner ausgemacht. Umso größer war der Schock nach der Schlappe. Doch auch den Ex-Weltmeistern Brasilien und Argentinien geht es nach ihren Unentschieden in den ersten Spielen nicht besser.

Südamerika in Not lautet somit das Resümee nach der ersten Woche der Fußball-WM in Russland. Den zwei Giganten und dem Geheimfavoriten tut der Hype um ihre Stars Neymar, Lionel Messi und James Rodriguez offenbar nicht gut. "Weil wir einen außergewöhnlichen Spieler wie Messi haben, soll Leo alle Probleme lösen. Er allein", kritisierte Argentiniens Trainer-Legende Cesar Luis Menotti in seiner Kolumne für die katalanische Tageszeitung "Sport".

Beim Vizeweltmeister konzentriere sich wie bei Brasilien alles auf einen. Bei Neymar wisse man nicht, "ob er antritt, um zu glänzen, oder ob er versucht, alleine die Spiele zu gewinnen. Er kommt mir vor wie ein eigensinniger Fußballer, der seiner Partitur folgt, ohne das Orchester miteinzubeziehen", analysierte Menotti.

Neymar nicht mannschaftsdienlich

Auch zu Messis vergebenen Strafstoß beim enttäuschenden 1:1 gegen WM-Debütant nahm der 79-Jährige Stellung: "Ich habe Pele, Maradona, Platini erlebt, wie sie verschossen haben. Aber Argentinien dürfte keinen Elfmeter nötig haben, um eine Begegnung zu gewinnen", betonte der Chefcoach des Weltmeister-Teams von 1978. Eine große Auswahl generiere Fußball und Chancen und sei nicht vom Pech vom Elfmeterpunkt abhängig.

Während Kapitän Messi noch mannschaftsdienlich spielte, geriet Neymars Auftritt beim 1:1 gegen die Schweiz zur One-Man-Show. Um an den Ball zu kommen, ließ sich der 222-Millionen-Euro-Mann aus Paris oft weit zurückfallen - zur Freude der Eidgenossen. Trainer Tite versucht seit seinem Amtsantritt, die Taktik nicht nur auf Neymar auszurichten. Doch der Stürmer macht auf dem Platz einfach, was ihm gefällt.

Die kolumbianische Tageszeitung "El Tiempo" schrieb am Mittwoch sogar von einem "Nationalen Erdbeben" und meinte damit nicht den Sieg des konservativen Kandidaten Ivan Duque bei der Präsidentenwahl. Die Euphorie, vor allem um Nationalheld James Rodriguez, war wieder mal riesig gewesen beim Viertelfinalisten von 2014. Doch der WM-Torschützenkönig von 2014 ist angeschlagen und nach dem 1:2 gegen Japan nun die Psyche des gesamten Teams angeknackst.

Kolumbiens Chefcoach Jose Pekerman ist aber nur einer von gleich fünf argentinischen Trainern bei der WM 2018 - und noch keiner durfte bisher über einen Sieg jubeln. Argentiniens Betreuer Jorge Sampaoli hatte Fußball-Ikone Diego Maradona gleich nach dem 1:1 gegen die Schweiz aufs Korn genommen: "Wenn sie so spielen, kann Sampaoli nicht nach Argentinien zurückkehren."

Auch die anderen argentinischen WM-Trainer stehen bereits massiv in der Kritik: Juan Antonio Pizzi verpasste mit Chiles großer Generation die WM-Qualifikation und müht sich jetzt mit dem "Prügelknaben" Saudi-Arabien bei der Endrunde ab. Ägyptens Teamchef Hector Cuper muss sich nach den Niederlagen gegen Uruguay und Russland Rücktrittsaufforderungen gefallen lassen. Und auch Ricardo Gareca hat mit Peru nach dem 0:1 gegen Dänemark einen schweren Stand.

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