ÖSTERREICH-Interview

Anna Veith: "Ich habe noch Schmerzen"

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ÖSTERREICH war mit der 27-Jährigen beim Comeback-Training.

Trafoi. Mittwoch, 6.50 Uhr. Die ersten Sonnenstrahlen blinzeln über das Ortler- Gebirgsmassiv. Ich stehe mit Anna Veith auf 3.400 Metern am Gletscher des Stilfser Jochs. Vertrauenstrainer Meinhard Tatschl hat den Riesentorlaufkurs längst schon ausgeflaggt. 3,2,1 - los!

Anna taucht mit den Skistöcken kräftig an, zischt durch die ersten Tore. Das schaut schon richtig gut aus. Zehn Monate nach ihrer schweren Knieverletzung hat die Olympiasiegerin, Weltmeisterin und Gesamtweltcupsiegerin mit dem Stangentraining begonnen. Anna absolviert fünf Läufe, dann stoppt Tatschl die Einheit. Anna darf ihr rechtes Knie nicht überbelasten.

Später sitzen wir im Hotel Baita Ortler, und die Salzburgerin plaudert über ihre Fortschritte. Dabei dreht sich alles um die Kernfrage, ob Anna Veith genauso stark werden kann wie Anna Fenninger. "Das ist mein Ziel. Ich will mich wieder mit den Besten messen", sagt sie. Nachsatz: "Das Schwierige ist, die Geduld aufzubringen, weil ich nicht genau weiß, wie lange es dauern wird."

"Setze mich sicher nicht unter Druck"

Auf dem Weg zurück helfen ihr auch die zahlreichen Glückwünsche der Fans. Anna: "Die Anteilnahme baut mich auf. Jeder freut sich mit mir, dass ich wieder Ski fahren kann." Ich will von Anna wissen, ob es sich bis zum Saisonstart in Sölden (22. Oktober) ausgehen wird.

Sie überlegt nur kurz, um dann entschlossen zu sagen: "Ich setze mich sicher nicht unter Druck. Ich steige erst wieder ein, wenn ich hundertprozentig fit und konkurrenzfähig bin." Im ÖSTERREICH-Interview spricht sie über ihren harten Weg zurück.

ÖSTERREICH: Anna, wie ist das Gefühl, endlich wieder auf Skiern zu stehen?

ANNA VEITH: Es ist mental sehr anstrengend, weil ich an viele Sachen gleichzeitig denken muss. Vorher war alles automatisiert, da musste ich mir keine Sorgen machen. Jetzt muss ich mich in jedes Detail erst wieder hineinspüren, mir die Sicherheit wieder zurückholen.

Veith
© GEPA

(c) GEPA - Anna Veith mit ÖSTERREICH-Reporter Walter Unterweger

ÖSTERREICH: Ist es aber nicht gleichzeitig auch befreiend?

VEITH: Ja. Ganz sicher. In den ersten Tagen auf Skiern hatte ich bei jedem Schwung ein Glücksgefühl. Es hat Zeiten gegeben, wo ich ganz weit weg vom Skifahren war, wo ich mir gar nicht vorstellen konnte, dass ich es bis dorthin wieder schaffe.

ÖSTERREICH: Hast du noch Schmerzen im Knie?

VEITH: Umso höher die Belastung ist, desto schmerzhafter wird es. Als ich mit dem Fahren durch Tore anfing, war die Belastung für das Knie so hoch, dass ich einfach Schmerzen hatte. Die Patellasehne ist aber stabil, sie kann das verarbeiten und wird von Tag zu Tag stärker. Ich darf nur nicht den Fehler machen und zu sehr in den Schmerz hineintrainieren.

ÖSTERREICH: Kann Anna Veith genauso stark werden wie Anna Fenninger?

VEITH: Das glaube ich schon, die Frage ist nur, wann. Mein Ziel ist es, auf hohem Niveau wieder Ski zu fahren. Ich will mich mit den Besten wieder messen können.

ÖSTERREICH: War Rücktritt ein Thema für dich?

VEITH: Natürlich hatte ich die Gedanken. Am Anfang mehr, jetzt immer weniger. Im Sommer gab es eine Phase, wo ich nicht so weitergekommen bin. Ich hatte Schmerzen und wusste nicht genau, woher sie kommen.

ÖSTERREICH:
Wie sehr hilft dir dabei dein Mann Manuel?

VEITH: Er war jeden Tag bei mir im Krankenhaus, er war da, wo ich noch nichts selbstständig machen konnte, wo ich beim Duschen nicht alleine zum Handtuch gekommen bin. Aber es ist nicht so, dass wir nur mein Leben leben. Ich unterstütze ihn auch, so gut es geht. Ich glaube, wir ergänzen uns sehr gut.

ÖSTERREICH: Warum habt ihr im Frühjahr in Südtirol und nicht in Österreich geheiratet?

VEITH: Wir wollten, dass es im Vorhinein keiner mitbekommt. In Österreich wäre es schwierig gewesen, das geheim zu halten. Wir lieben die Berge, wir lieben guten Wein. Las Vegas wäre nichts für uns gewesen (lacht).

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