Am Tiefpunkt

ÖSV-Herren rätseln nach Mega-Debakel

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Speed-Herren sind am Tiefpunkt angekommen. Wie soll Wende gelingen?

Marcel Hirscher hat zwar trotz des Speed-Doubles von Kjetil Jansrud in Val d'Isere die alleinige Weltcup-Gesamtführung erfolgreich verteidigt. Dennoch herrscht nach dem ersten Speed-Wochenende des WM-Winters bei den ÖSV-Herren Katzenjammer. Der Grund ist die historische Abfahrtspleite in Frankreich.

+++ Reaktionen: "Das war unserem Skisport nicht würdig" +++

"Wir müssen diese Sache bis Gröden in den Griff kriegen", fordert Andreas Puelacher. Auch Österreichs Herrenchef hatte es angesichts der fünftschlechtesten Abfahrt in der 50-jährigen Weltcupgeschichte mit Platz 17 für Matthias Mayer sogar kurz die Sprache verschlagen. Allerdings ergab die von Sportdirektor Hans Pum noch in Frankreich angestoßene Analyse-Sitzung zunächst keinen roten Faden.

"Einen Kardinalfehler gibt es nicht. Man muss sich das eher individuell anschauen", erklärte Puelacher. Die Abfahrer des ÖSV waren unter angespannten Vorzeichen in den WM-Winter gegangen, nachdem es vergangene Saison keinen einzigen Sieg aber dafür jede Menge Verletzte gegeben hatte.

"Das Gas geben hat gefehlt"

Vielleicht ist das ein Grund, warum der letzte Abfahrtssieg durch Hannes Reichelt im März 2015 in Kvitfjell schon 21 Monate her ist und der ebenfalls durch den Salzburger herausgefahrene letzte Podestplatz vergangenen Jänner in Wengen passierte. So weit entfernt vom Sieg oder einem Podestplatz wie nun in Val d'Isere war man aber schon lange nicht mehr gewesen. Im Jänner 2009 war Georg Streitberger in Wengen 18. geworden.

Kurios ist, dass für den bisher letzten ÖSV-Speedsieg Technik-Spezialist Hirscher mit seinem Super-G-Triumph vor einem Jahr in Beaver Creek verantwortlich zeichnet. Diesmal wurde nach der Absage von Beaver Creek das Programm auf der weit weniger steilen OK-Piste in Val d'Isere gefahren und dennoch fielen die ÖSV-Abfahrer durch eher passive Herangehensweise auf.

"Es wurde zu wenig aktiv Ski gefahren. Bei gewissen Schneeverhältnissen sind einige unsicher gewesen", ortete Rennsportleiter Puelacher mangelndes Vertrauen einiger Läufer zu sich selbst aber auch zum Material. "Mir hat einfach das richtige Gas geben gefehlt."

Hartes Training statt Ausreden

Warum sich das Problem quer durch die ganze Mannschaft zog, war aber auch für den Herrenchef zunächst ein Rätsel. "Es wundert mich schon. Das Training vor der Saison bis Sölden war sehr gut. Auch Nakiska war okay", ließ Puelacher Schneemangel in der Vorbereitung oder andere Probleme nicht als Ausrede gelten. Auch nicht, dass es in den letzten Tagen des Kanada-Trainings eine eher "knollige" Piste gegeben hatte.

"Durch sowas darf man sich nicht rausbringen lassen. Ich versteh' nicht, wenn durch so etwas wieder alle ins alte Muster zurückfallen", kritisierte der Tiroler. Es wird nun aber weder ein Trainer gefeuert noch werden die Abfahrer nach Sibirien geschickt. Allerdings fiel auch das für Gröden, dem Schauplatz der nächsten Speedrennen, geplant gewesene Training ins Wasser, weil man dort noch nicht fertig ist mit den Pisten. Geübt wird deshalb nun in Österreich.

"Wir können nicht den Kopf in den Sand stecken", machte Puelacher klar, dass man sich dem Problem stellt. "Nur mit Training wird man besser und wir werden jetzt die besten Bedingungen schaffen, damit wir die Sache bis Gröden wieder in den Griff kriegen", versprach der Chef.

Hirscher
© GEPA

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"Haben nichts mehr zu verlieren"

"Ich hoffe, dass wir die Leichtigkeit, die uns andere vorleben, wieder zurückkriegen." Vor allem am Schwungaufbau soll nun intensiv gearbeitet werden. "Der macht dich schnell", weiß Puelacher. "Die passive Fahrweise soll in eine aktive umgewandelt werden." Dass für die schwächelnde Speed-Fraktion des ÖSV nun am 16. und 17. Dezember ausgerechnet Gröden als nächste Möglichkeit zur Wiedergutmachung auf dem Programm steht, ist freilich pikant.

Denn auf der Saslong taten sich Österreichs Abfahrer zuletzt traditionell schwer, sie sind dort bereits seit 2008 sieglos. Doch das will Puelacher erst recht nicht hören. "Mir ist es jetzt egal, ob uns eine Strecke liegt oder nicht. Die Abfahrer haben in Val d'Isere derart eine auf die Nase bekommen, dass sie jetzt ohnehin nichts mehr zu verlieren haben", stellte Puelacher die Rute ins Fenster.

Nachdem im WM-Winter nun erstmals Rennen in allen Disziplinen gefahren wurden, zieht sich die Ernüchterung beim ÖSV quer durch alle Lager. Ausnahme ist einmal mehr Marcel Hirscher, der in Levi für den bisher einzigen ÖSV-Sieg gesorgt hat und in Val d'Isere als Zweiter einziger Nicht-Franzose in den Top-Fünf war.

Hirscher die positive Ausnahme

Sonst hat es weder bei Herren noch Damen einen Stockerlplatz für Österreich gegeben. Bei den noch podestlosen Damen ist der vierte Platz von Stephanie Brunner im Sölden-RTL nach sieben Rennen das bisher beste Ergebnis.

Das wirkt sich aus. Zwar führt Titelverteidiger Hirscher bei den Herren, sonst ist der ÖSV aber in keiner einzigen Wertung voran und auch nicht in einer Nationenwertung. Dabei ist die mannschaftliche Dichte seit Jahrzehnten an sich der große Trumpf des Skiverbandes.

Derzeit liegt in der Nationenwertung aber Italien voran. Bei den Herren ist Frankreich Erster vor Österreich, die von Rücktritten und verletzungsbedingten Ausfällen geschwächten ÖSV-Damen sind hinter Italien, der Schweiz und den USA gar nur Vierte.

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