Falscher Sieger?

Gatlin bei Bolt-Abschied gnadenlos ausgebuht

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Bei der Weltmeisterschaft in London gab es Buhrufe für Sieger Gatlin.

Usain Bolt ist der Spaß nicht vergangen. WM-Bronze statt Gold zum Ausklang seiner Megakarriere scheint kein Beinbruch für den erfolgreichsten Sprinter aller Zeiten, für die Lichtgestalt der Leichtathletik. Die Fans im Londoner Olympiastadion riefen noch lange nach dem denkwürdigen 100-m-Finale nach dem Jamaikaner, der seinem Dauerrivalen Justin Gatlin zum "verdienten Titelgewinn" gratulierte.

Die Mehrheit der 55.900 Zuschauer sah das anders, Gatlins Jubel wurde von einem beispiellosen Buh-Konzert begleitet. Die sportaffinen Briten sind für normal ein großartiges Publikum, kannten aber keine Gnade. Auch nicht, als Gatlin vor Bolt sogar auf die Knie ging und ihm als dem Größten aller Zeiten huldigte. Seiner Dopingvergangenheit wird Gatlin wohl nie davonlaufen können. Der zweifache ehemalige Dopingsünder tat also gut daran, auf die obligatorische Gratulations-Runde im Stadionoval zu verzichten.
 
Bolt als fairer Verlierer
"Usain hat mir gratuliert und gesagt, du hast hart dafür gearbeitet und all diese Buh-Rufe hast du nicht verdient", berichtete der 35-jährige Gatlin, der von 2001 bis 2002 (Amphetamine) und von 2006 bis 2010 (Testosteron) von den Bühnen der Sportwelt verbannt war. "Ich habe ihn immer als Konkurrenten respektiert", versicherte Bolt, der als Erster dem Dauerkonkurrenten, gegen den er in nun zehn Duellen nur zweimal verloren hat, gratuliert und ihn umarmt hatte.

"Es ist traurig, dass die Buh-Rufe für mich lauter waren als die Jubelschreie", sagte der US-Amerikaner Gatlin. "Ich sitze hier, ich bin ein Läufer, ich bin zurück im Sport. Ich habe meine Zeit abgesessen." Als Wiederholungstäter war er einem lebenslangen Bann nur entgangen, weil er als Kronzeuge gegen seinen damaligen Trainer ausgesagt hatte.

Gatlin gewann knappes Rennen
Der Rennausgang war eng, Gatlin lief nach 9,92 Sekunden über die Ziellinie, sein Landsmann Christian Coleman in 9,94, Weltrekordler Bolt folgte in 9,95. "Die beiden waren heute besser als ich und haben das durchgezogen", erklärte Bolt, der wie üblich schlecht aus den Startblöcken gekommen war, anders als sonst den Rückstand am Ende aber nicht mehr wettmachte. "Der Start hat mich gekillt."

Dies sei ein wunderbarer Ort, er liebe diese Menge, sagte der lachende Bolt. Es stand ihm keinerlei Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. "Danke an London für all die Liebe und Wertschätzung. Es tut mir nur leid, dass ich es nicht mit einen Sieg beenden konnte." Am kommenden Samstag wird er mit seinen Teamkollegen noch den Sprint-Staffelbewerb (4 x 100 m) bestreiten und danach seine Laufbahn beenden. Ein 12. WM-Gold könnte der achtfache Olympiasieger seinem Steckbrief also noch hinzufügen.

"Diese Nacht ist eine magische für die Leichtathletik und für Usain Bolt. Er hat so viel in seiner Karriere geleistet", verbeugte sich Gatlin auch verbal vor Bolt. Der bald 31-jährige Bolt musste seit 2008 in 87 Finalrennen über 100 und 200 Meter nur sieben Niederlagen einstecken. Für Gatlin, auch Olympiasieger 2004 in Athen, war es das zweite 100-m-Gold nach Helsinki 2005, wo er auch über 200 m zugeschlagen hatte.

Sieg als Katastrophe für Sport?
Ob sein Sieg ein Desaster für den Sport ist, wurde er von Reportern gefragt. "Ich habe nicht darüber nachgedacht, ob mein Sieg heute eine Katastrophe für den Sport ist. Ich habe es für meine Fans gemacht, meine Unterstützer, meine Landsleute. Die Leute, die wirklich an mich glauben, auch wenn ich es nicht getan habe. Zum ersten Mal habe ich an sie gedacht und nicht an mich selbst, das hat mir den Druck genommen."

Ob er es möge, den "bad boy" zu geben? "Was mache ich, das mich zu einen bösen Buben macht? Rede ich schlecht von anderen? Mache ich schlechte Gesten? Gebe ich nicht allen die Hand, gratuliere ich ihnen nicht oder wünsche ich ihnen kein Glück? Das klingt mir nicht nach einem bösen Buben", meinte Gatlin, der anders als Bolt seine Karriere fortsetzen wird.

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