ÖFB-Star ganz offen

Arnie: 'Vielleicht hätte ich öfter den Mund halten sollen'

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Marko Arnautovic gibt sich im Interview offen wie nie.

Die Kür zu Österreichs Fußballer des Jahres hat Marko Arnautovic zum Anlass genommen, um mit der APA - Austria Presse Agentur in seiner mondänen Villa in London über seine bisherige Karriere zu sprechen. Dabei plauderte der ÖFB-Star unter anderem über die Wandlung vom "Lausbuben" zum seriösen Familienvater, über seine Kritiker, seine serbischen Wurzeln und seine Vergangenheit als Käfig-Kicker.
 
APA: Welche Bedeutung hat die Auszeichnung als Fußballer des Jahres für Sie?
 
Arnautovic: "Eine ganz große, auch für meine Familie. Für so etwas spielt man Fußball. Ich bin froh, diesen Preis zu haben und werde hart daran arbeiten, dass es nicht der letzte ist. Dass es nicht mehr sind, liegt auch daran, dass David Alaba mit den Bayern immer sehr erfolgreich war. Jeder weiß, was wir für ein gutes Verhältnis haben, ich gönne ihm jeden Erfolg."
 
APA: Wie sehen Ihre Wünsche für 2019 aus?
 
Arnautovic: "Ich wünsche mir, dass meine Familie und ich gesund bleiben und dass es sportlich weiter erfolgreich läuft. Ich will mich mit dem Nationalteam für die EM 2020 qualifizieren und bei West Ham viele gute Leistungen bringen und viele Tore schießen."
 
APA: Wann werden Sie wieder für West Ham einlaufen? Zuletzt mussten Sie seit Anfang Dezember wegen einer Muskelverletzung pausieren.
 
Arnautovic: "Ich bin nicht weit davon weg, vielleicht eine oder zwei Wochen. Ich habe keine Schmerzen mehr und bin im Aufbautraining. Am Sonntag habe ich einen Scan, dann wird man sehen, wie weit ich bin. Ich hätte mir die Verletzung gerne erspart, aber sie hatte auch etwas Positives, denn meinem Knie geht es jetzt gut. Die Schwellung ist weg, es ist keine Flüssigkeit mehr drin, nur manchmal sind noch ein bisschen Schmerzen da."
 
APA: Themenwechsel: Sie haben in Ihrer Karriere schon für viele Schlagzeilen gesorgt und gelten gewissermaßen als der Popstar des österreichischen Fußballs. Können Sie mit dieser Bezeichnung etwas anfangen?
 
Arnautovic: "Ich würde nicht sagen, dass ich ein Popstar bin. Ich habe eben Sachen gemacht, die andere nicht gemacht haben, dann waren wieder alle sauer, dann habe ich auf dem Platz meine Leistung gebracht und alles war wieder gut. Ich habe die Leute immer unterhalten, es hat über mich immer etwas zu schreiben oder zu reden gegeben. Doch das ist jetzt vorbei, ich muss ja Vorbild für meine Kinder sein. Aber hin und wieder hau' ich schon noch Schmähs bei den Journalisten raus."
 
APA: Haben Ihre früheren Aktionen eine noch erfolgreichere Karriere verhindert?
 
Arnautovic: "Sie waren sicher ein Hindernis. Es kann sein, dass ich jetzt woanders wäre. Vielleicht hätte ich öfter meinen Mund halten sollen, aber es ist so, wie es ist. Ich bin diesen Weg gegangen, er war nicht immer der leichteste oder ein guter, doch ich bin durch diesen Weg durchgekommen. Ich bin froh darüber, wie ich jetzt bin. Ich bin viel gelassener und ruhiger und denke viel mehr darüber nach, bevor ich etwas mache."
 
APA: Wie sind Sie mit der Berichterstattung über Ihre Person umgegangen?
 
Arnautovic: "In meinen ersten Gedanken war es mir immer egal, was geschrieben worden ist, beim zweiten Mal Nachdenken nicht mehr. Da habe ich mich gefragt, warum habe ich das und das getan und warum wird das und das geschrieben. Aber ich werde seit einigen Jahren von meiner Agentur 'Next Sports Marketing' beraten, wie ich auf diverse Sachen reagieren oder nicht reagieren soll.
 
APA: Fühlen Sie sich angesichts von 77 Länderspielen und 20 Toren zu wenig von der Öffentlichkeit gewürdigt?
 
Arnautovic: "Bei gewissen Kritikern und Experten ist immer eine kleine Eifersucht dabei. Die haben immer eine Kamera vor ihren Augen gebraucht, damit sie etwas sagen. Das stört mich nach wie vor. Wenn jemand über mich etwas zu sagen hat, soll er zu mir kommen. Aber egal - wenn ich gesund bleibe und alles gut läuft, werde ich in der Rangliste der Nationalteam-Spiele und -Tore noch einige vor mir einholen, und dafür werde ich alles tun, weil ich meine Familie und mein Land stolz machen will."
 
APA: Spielen in der Kritik an Ihnen vielleicht auch Ihre serbischen Wurzeln eine Rolle?
 
Arnautovic: "Das kann sehr leicht möglich sein. Die Leute sollen wissen, dass ich für das österreichische Nationalteam spiele, aber mein Blut nicht nur österreichisch ist. Mein Vater ist Serbe, der Großteil meiner Familie hat serbische Wurzeln, und ich habe sehr viel Liebe für Serbien, genauso wie für Österreich. Meine Mutter ist Österreicherin, ich bin hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Meine Familie wurde in Österreich immer geschätzt, es gab nie Probleme wegen Ausländerfeindlichkeit. Ich will einfach, dass die Leute akzeptieren, dass ich zwei Wurzeln habe. Ich liebe beide Länder. Wenn jemand zu mir sagt, du spielst für Österreich, du bist in Österreich geboren, wieso hast du nicht mehr Liebe zu Österreich - tut mir leid, das gibt's für mich nicht. Ich bin zwar in Österreich aufgewachsen, aber in meinem Leben waren mehr Serben um mich herum. Ich war auch jedes Jahr viele Monate in Serbien. Doch wenn mich Menschen in Serbien fragen, wieso ich für Österreich spiele, sage ich, dass ich stolz und froh darüber bin. Das sieht man auch, ich gebe im Nationalteam immer 100 Prozent."
 
APA: Es gab Kritik an Ihnen, dass Sie selbst als Kapitän nicht die österreichische Hymne mitgesungen haben. Wie gehen Sie damit um?
 
Arnautovic: "Wenn ich auf ein Spielfeld komme, konzentriere ich mich nur auf dieses Match. Dass ich die Hymne nicht mitsinge, hat nichts mit Provokation zu tun oder damit, dass ich sie nicht kann, will oder liebe. Ich mache es einfach nicht, weil ich mich konzentriere. Ich habe kurz vor dem Spiel ganz andere Sachen im Kopf als zu singen."
 
APA: Aufgeschaukelt hat sich die Debatte nach der Niederlage in Bosnien und vor dem Nordirland-Heimspiel. Wie groß war die Genugtuung nach dem Siegestreffer gegen Nordirland?
 
Arnautovic: "Als ich das Tor gemacht habe, war es für mich sehr emotional. Da habe ich den Kritikern gezeigt: Ist es euch wichtig, dass ich die Hymne singe und auf dem Platz keine Leistung bringe, oder wollt ihr einen Marko, der auf dem Platz alles gibt und drei Punkte holt? Nach dem Tor habe ich nichts mehr von ihnen gehört, da konnte keiner mehr etwas sagen. Ohne das Tor hätten wir das Thema bis heute, so aber war es abgeschlossen."
 
APA: In England schlägt Ihnen deutlich weniger Skepsis als in Österreich entgegen. Ist die Premier League die ideale Liga für Sie?
 
Arnautovic: "Den größten Sprung habe ich sicher in England gemacht. Bei Werder Bremen hat es für mich nicht so geklappt. Zu Inter Mailand bin ich gekommen, als ich verletzt und jung war und die Mannschaft alles gewonnen hat, aber man kann trotzdem nicht sagen, ob die deutsche und die italienische Liga schlecht für mich gewesen wären. In England habe ich am Anfang gedacht, da gibt's jeden Tag einen Eisbeutel auf das Knie oder den Kopf, doch ich habe mich schnell eingewöhnt und bewiesen, dass ich hier Leistung bringen kann und anerkannt bin."
 
APA: Durch Ihre Leistungen bei West Ham sollen englische Topclubs an Ihnen Gefallen gefunden haben. Was ist an den Transfergerüchten dran?
 
Arnautovic: "Das sind alles Spekulationen. Natürlich hört man davon, dass es Interesse gibt, was auch schön ist, aber es ist nichts Konkretes dahergekommen. Außerdem habe ich Vertrag bei West Ham und fühle mich dort sehr wohl."
 
APA: Aber ist es nicht Ihr Ziel, bei einem absoluten Spitzenverein zu landen?
 
Arnautovic: "Jeder Fußballer hat so ein Ziel, will auf Top-Level spielen, in der Champions League, bei großen Turnieren und um Meistertitel. Wenn die Möglichkeit kommt, kommt sie, wenn nicht, dann eben nicht."
 
APA: Das heißt, ein Wechsel ist zumindest in der Wintertransferzeit ausgeschlossen?
 
Arnautovic: "Im Fußball kann immer etwas passieren, man weiß nie. Aber geplant ist nichts."
 
APA: Beim Triple von Inter Mailand waren Sie fast ausschließlich Reservist, seither gab es für Sie keine Titel mehr. Wie sehr schmerzt das?
 
Arnautovic: "Es schmerzt schon, weil ich nicht Fußball spiele, um Geld zu verdienen, sondern um Titel zu gewinnen. Für mich ist nicht Geld ausschlaggebend, sondern der sportliche Erfolg."
 
APA: Wie wichtig war für Ihre bisherigen Erfolge die Tatsache, dass sie nie in einer Akademie, sondern ein klassischer "Käfig-Kicker" waren?
 
Arnautovic: "Ich habe immer das gemacht, was ich am besten konnte und von dem ich dachte, dass ich damit ein Tor machen kann, nicht das, was der Trainer gesagt hat. Das hat in meinen jungen Jahren gut geklappt. In den Jugendmannschaften habe ich Tore am Fließband gemacht, da war ich immer Torschützenkönig. Das habe ich im Park und nicht bei einem Verein gelernt. Die Jungen in den Akademien machen das, was der Trainer sagt, weil sie denken, dass sie sonst Ärger bekommen. Mir war das egal, denn wenn ich zwei oder drei Tore gemacht habe, konnte ich keinen Ärger bekommen."
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