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Gefälschte Bilanzen

Krimi um Fußball-Boss: Fehlen 500 Millionen?

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Martin Pucher, Banker und Fußballboss, war ein Star. Jetzt ermittelt die Korruptions-Staatsanwaltschaft.

Mattersburg. Körperlich ist Martin Pucher, 64, schwer angeschlagen. Nach zwei Schlaganfällen vor Jahren ist er ex­trem schwach, tut sich schwer beim Gehen, sein rechter Arm ist gelähmt, berichten Menschen aus seinem Umfeld. Und jetzt der Crash seines Babys, der Commerzialbank, einer regionalen Privatbank in Mattersburg mit 60.000 Kunden (siehe rechts). Alle acht Filialen im Bezirk sind – wie berichtet – geschlossen.
 
Bilanzfälschung. Bis zu 500 Millionen sollen in der Bilanz fehlen beziehungsweise eine reine Erfindung in den Büchern sein. Viele Sparer bangen um ihr Geld. Pucher, der sofort nach Auffliegen des Skandals als Bankchef zurücktrat, lässt über seinen Anwalt Norbert Wess ausrichten: „Es ist kein Geld weg.“ Sein Mandant kooperiere in vollem Umfang und wolle an einer „lückenlosen Aufklärung“ mitarbeiten, so Wess zu ÖSTERREICH.
 

Vom Raika-Filialleiter zum mächtigen Fußball-Boss

Falsche Kredite. Über Jahre soll Pucher „Kredite erfunden und Bilanzen gefälscht haben“. In zwei Fällen soll er das gegenüber Beamten der Finanzmarktaufsicht auch zugegeben haben. Klaus Grubelnik, Sprecher der Finanzmarktaufsicht, bestätigt das gegenüber ÖSTERREICH: „Wir wissen aber nicht, wie lange das lief.“ Auch könne man noch nicht sagen, um wie viel es tatsächlich geht: „In jedem Fall ist es eine Ka­tastrophe“, klagt Mattersburgs SPÖ-Bürgermeisterin Ingrid Salomon: „Das trifft Freunde, Firmen, Großkunden. Jeder kennt Martin Pucher.“
 
Fußball-Macht. Jahrzehntelang war der 64-Jährige der Star der Region: Bankchef, Fußballboss des SV Mattersburg, Großsponsor.
 
Pucher, Sohn eines Friseurmeisters, startete bei der Raika in Krensdorf als Filialleiter. 1995 lösten sich mehrere Raika-Filialen unter seiner Führung vom Mutterkonzern. ­Pucher gründete die Commerzialbank Mattersburg. Auch Fußballfans ist der Banker ein Begriff: Seit 1988 ist er Chef des Bundesligisten SV Mattersburg. Er pushte den Klub in die höchste Liga, finanzierte eine Fußballakademie. Zweimal stand Mattersburg im Cup-Finale. Von 2005 bis 2009 war er sogar mächtigster Fußballfunktionär Österreichs: Bundesliga-Chef, ÖFB-Vizepräsident. Jetzt der tiefe Fall. Es gilt die Unschuldsvermutung.
 

Festivals wie Nova Rock und Frequency vor Aus

Zu den Großkunden der Commerzialbank gehört der Konzertveranstalter Barracuda.
 
Mattersburg. 60.000 Kunden hat die Mattersburger Commerzialbank, darunter Großkunden wie den Konzertveranstalter Barracuda mit Einlagen in Höhe von 34 Millionen Euro. Fällt Barracuda um das Geld um, stehen Festivals wie Nova Rock oder Frequency endgültig vor dem Aus.
 
Auch die börsennotierte Wiener Technologiefirma Frequentis ist einer der Großkunden der Bank, bei ihr geht es um 31 Millionen Euro. Bei der Energie Burgenland soll es um fünf Millionen Euro gehen.

100.000 Euro Einlagen pro Kunde sind gesichert

Einlagensicherung. Insgesamt sollen in der Bank rund 400 Millionen gesicherte Einlagen liegen. Derzeit kommt keiner der Kunden zu seinem Geld, die Bank darf nichts auszahlen, auch nicht via Bankomat. Viele bangen um ihr Erspartes. Über die gesetzliche Einlagensicherung sind bis 100.000 Euro pro Kunde gesichert. Binnen 15 Tagen muss das Geld von der Einlagen­sicherung, die in dem Fall bereits aktiv ist, an die Kunden ausgezahlt werden.
 
Hilfe. Betroffene müssen ein Konto bei einer anderen Bank eröffnen. Einige Institute haben den Commerzialbank-Kunden bereits Hilfe angeboten. Die bank99 der Österreichischen Post bietet ein Kontowechselservice und 1.000 Euro Überziehungsmöglichkeit. Die Bank Austria hat ihre Öffnungszeiten in Mattersburg bis 31. Juli verlängert (8–18 Uhr), bietet Betroffenen ein Jahr Gratis-Kontoführung.
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